Der entfesselte Blitz: Frei im Raum arbeiten _ Online Fotokurs

[04] Der entfesselte Blitz: Frei im Raum arbeiten

Der entfesselte Blitz: Frei im Raum arbeiten

Wenn man von außen auf einen Fotografen mit Blitz schaut, sieht es oft so aus: Kamera, Blitz obendrauf – und zack, fertig. Und klar: Das funktioniert. Aber es ist eben auch ein bisschen wie Kochen mit nur einem einzigen Gewürz.

Spätestens wenn du dein Licht bewusst gestalten willst, brauchst du Freiheit. Und genau das bekommst du mit dem „entfesselten Blitz“.

Was bedeutet „entfesselt“ blitzen?

Ganz einfach: Der Blitz sitzt nicht mehr direkt auf der Kamera, sondern irgendwo im Raum oder Du hältst ihn in der Hand (ein Meter entfernt von der Kamera kann schon einen großen Unterschied machen). Er wird über Funk, Infrarot oder Kabel ausgelöst – und du entscheidest frei, wo er steht, in welche Richtung er zeigt und wie weit er vom Motiv entfernt ist.

Plötzlich hast du das Licht in der Hand – im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie zündet ein entfesselter Blitz?

Dafür gibt’s mehrere Möglichkeiten:

  • Kabel (z. B. PC-Sync oder TTL-Kabel): Zuverlässig, aber du bist immer an eine bestimmte Reichweite gebunden – und stolpern kann man auch.
  • Funk: Der Standard heute. Ein Sender sitzt auf der Kamera, der Blitz hat einen Empfänger (oft eingebaut). Vorteil: Funktioniert über mehrere Meter, auch durch Wände hindurch. Zuverlässig, flexibel.
  • Infrarot (z. B. bei vielen Systemblitzen): Funktioniert nur auf Sichtkontakt. In der Sonne oder bei Spiegelungen eher unzuverlässig.

Warum entfesselt? Die Vorteile auf einen Blick

  • Licht von der Seite, von oben, von hinten – wie du willst!
  • Mehr Kontrolle über Schatten: Du kannst gezielt modellieren, statt flach von vorne zu leuchten.
  • Natürlichere Ergebnisse: Durch seitliches Licht entsteht Tiefe – fast wie bei Fensterlicht.
  • Mehrere Blitze kombinieren: Du kannst mit Hauptlicht, Fülllicht und Gegenlicht arbeiten – also professionell ausleuchten, ohne ein Studio zu betreten.

Lichtführung bewusst gestalten: Position, Abstand, Winkel

Hier fängt das Spiel mit dem Licht erst richtig an:

  • Seitliches Licht (ca. 45°) bringt Volumen ins Gesicht. Du modellierst die Formen, es entsteht ein plastischer Look.
  • Licht von oben wirkt natürlich, wie die Sonne oder eine Deckenlampe – kann aber auch unschöne Augenringe erzeugen, wenn’s zu hart ist.
  • Gegenlicht / Rim Light hebt das Motiv vom Hintergrund ab – super für Dramatik oder Mode.

Und ganz wichtig:

  • Je näher der Blitz am Motiv, desto weicher (weil größer im Verhältnis).
  • Je weiter weg, desto härter (weil kleiner relativ).

Das kannst du mit simplen Mitteln ausprobieren: Ein Blitz auf einem Stativ, ein einfacher Durchlichtschirm – und du hast fast schon Studiobedingungen.

Einfache Setups zum Ausprobieren

1. Porträt mit einem Blitz

  • Ein entfesselter Blitz seitlich (ca. 45°), leicht erhöht.
  • Weißer Reflektor auf der anderen Seite, um Schatten aufzuhellen.
  • Optional: Bouncer oder Softbox, um das Licht weicher zu machen.

Ergebnis: Weiches, natürlich wirkendes Licht mit Tiefe.

2. Produktfoto „on location“

  • Ein Blitz von hinten oben (Backlight), zweiter von vorne leicht erhöht.
  • Weißer Hintergrund (Papier, Wand, Stoff).
  • Objekt leicht drehen, um Glanzlichter zu steuern.

Ergebnis: Klar konturiertes Produktbild mit Dimension – auch unterwegs machbar.

3. Editorial-Style mit zwei Blitzen

  • Blitz 1 als Hauptlicht (von vorn seitlich, über Softbox oder Schirm).
  • Blitz 2 als „Kicker“ von hinten, etwas härter eingestellt, evtl. mit CTO-Folie für warmen Akzent.
  • Umgebung bewusst dunkel belichtet (kurze Verschlusszeit, niedriger ISO).

Ergebnis: Dramatischer, stilisierter Look – ideal für Mode, Kunst oder Musikporträts.

Fazit: Entfessel dein Licht – und deine Möglichkeiten

Sobald du deinen Blitz von der Kamera „befreist“, verändert sich deine gesamte Herangehensweise. Du denkst nicht mehr: „Wie krieg ich das Motiv hell genug?“, sondern:

„Wie möchte ich, dass mein Licht aussieht?“

Das ist der Unterschied zwischen dokumentieren und gestalten.